Peigne en buis Musée du Peigne et de la Plasturgie à Oyonnax
Kulturerbe

Kämme und Kunststoff

Oyonnax, die Hauptstadt des „Plastics Vallée“ und zweitgrößte Stadt des Département Ain, gehört zu einem echten Wirtschaftsraum, der als ein bedeutender Tätigkeitsbereich der Kunststoffverarbeitung in Frankreich und Europa gilt.

 

Das ursprüngliche Handwerk

Am Ende des 18. Jahrhunderts entwickelten die Bewohner dieses eingeschlossenen Tals im Hochjura neben der Landwirtschaft ein auf die Herstellung von Holzkämmen basierendes Handwerk, um Einkünfte zu erzielen. Diese Aktivität erfuhr ein rasches Wachstum und wurde im 19. Jahrhundert mit der Verarbeitung von Horn fortgesetzt.
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  • Le Courbage

Öffnung gegenüber der Welt

Durch die Wirtschaftstätigkeit, die den Austausch und die Neugierde förderte, öffneten sich die Bewohner des Tals sehr schnell der Außenwelt. Insbesondere die Praxis des Hausierhandels ermöglichte die Kapitalisierung weiterer Know-how-Bereiche und Ideen. Im 19. Jahrhundert entstand ein echter Exporthandel mit anderen Ländern in Europa und auf anderen Kontinenten. Die Haarschmuckhersteller boten der Welt ihre Produkte, umgekehrt ließen sie sich von dieser Welt in ihrem Schaffungsprozess inspirieren.

  • Peigne en buis Musée du Peigne et de la Plasturgie à Oyonnax
    Peigne en buis Musée du Peigne et de la Plasturgie à Oyonnax - HautBugeyTourisme©2014_MarcChatelain
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    Peigne en buis Musée du Peigne et de la Plasturgie à Oyonnax - HautBugeyTourisme©2014_MarcChatelain
  • Musée du Peigne et de la Plasturgie à Oyonnax
    Musée du Peigne et de la Plasturgie à Oyonnax - HautBugeyTourisme©2014_MarcChatelain

Aufschwung der Kunststoffindustrie

Im Jahre 1878 entdeckten die Industrieunternehmer des „Plastic Valley“ die Möglichkeiten dieses neuen Materials: Das Zelluloid war gerade in den Vereinigten Staaten erfunden worden. Sie beschlossen daher, sich in dieses neue Abenteuer zu stürzen. Im Jahre 1899 wurde die Fabrik „L’Oyonnaxienne“ für die Herstellung von Zelluloid gegründet, um den für den Wirtschaftsbereich erforderlichen Rohstoff zu liefern. In den 1920-er Jahren zwang die Kurzhaarmode die Kammhersteller dazu, ihre Produktion zu variieren und auch Spielwaren, Brillen und Modeaccessoires anzubieten…

Neue synthetische Materialien und technische Verfahren, wie beispielsweise der Spritzguss, wurden entwickelt. Die dadurch eröffneten Möglichkeiten und erhaltene Qualität entsprachen zu einem bestimmten Zeitpunkt den erweckten Wünschen und Bedürfnissen der Nachkriegszeit, in der man allem Möglichen offen gegenüberstand. Im Jahre 1936 ermöglichte der Einsatz der Spritzgusspresse die Steigerung der Kunststoffproduktion und die Verbesserung der Qualität der Kunststoffprodukte.

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Bedeutendstes Kunststoffzentrum in Europa

Nach dem Zweiten Weltkrieg bewirkten der hohe Bedarf an Kunststoffmaterialien und deren Entwicklung einen Anstieg der Unternehmensgründungen. Die Kompetenz, Kreativität und der Innovationsgeist dieser Unternehmen zeigten sich in zahlreichen Bereichen der Kunststoffindustrie, wie etwa Konzeption, Verarbeitung, Design, Dekoration, Maschinenherstellung, Produktion von Formen und Werkzeugen, Verpackung und Recycling… Die Kunststoffproduktion betrifft zahlreiche Anwendungsbereiche in Branchen wie der Raum- und Luftfahrt, der Automobilindustrie, Robotertechnik, Medizin, Kosmetikverpackung, der Gartenmöbel, Haushalts- und Elektronikgeräte… Doch spielt das Kunststoffsegment durch seine Geschichte und das Know-how auch eine Pionierrolle im Mode- und Luxusbereich. Vom Haarschmuck bis zur Brillenherstellung – das Tal exportiert seit einem Jahrhundert weltweit erstklassige Produkte, die dem Fachwissen seiner Unternehmen entstammen.

Der Erfolg war so groß, dass man diesen Wirtschaftsraum Anfang der 1980-er Jahre als „Plastics Vallée“ bezeichnete, ihm gehörten mehr als 600 Unternehmen im Kunststoffsektor an, dazu noch Forschungs- und Entwicklungszentren (Centre Technique industriel de la Plasturgie et des composites) und Ausbildungseinrichtungen (Lycée Arbez-Carme, INSA).

„Plastic Valley“ ist das bedeutendste Kunststoffzentrum in Europa.

„La Grande Vapeur“ – ein außergewöhnliches Bauwerk!

Diese 1905 erbaute „Modellfabrik“ ist ein seltenes Zeugnis der Architektur des 20. Jahrhunderts im Dienste einer originellen Form der Arbeitsorganisation.

  • La Grande Vapeur à Oyonnax
    La Grande Vapeur à Oyonnax - HautBugeyTourisme©2014_MarcChatelain

 

Ein einzigartiges Modell

Am Ende des 19. Jahrhunderts vollzog sich der Übergang von der handwerklichen zur industriellen Kammproduktion unter anderem durch die Spezialisierung der Arbeiter auf einen einzigen Produktionsschritt. Dies führte zur Zunahme von Familienwerkstätten, in denen Heimarbeit geleistet wurde.

Eine erste Fabrik wurde etwa 1865 durch das Unternehmen „Moteur Industriel“ gegründet, das Werkstätten an Arbeiter vermietete, die das Horn verarbeiteten, und die durch eine Dampfmaschine gewonnene Energie an sie verkaufte. Dieser Dampfmaschine verdankt die Kammfabrik den volkstümlichen Namen „La Vapeur“. Im Jahre 1904 beschloss das Unternehmen „Union Électrique“, das vier Jahre zuvor in Le Saut-Mortier am Fluss Ain ein Elektrizitätswerk gebaut hatte, eine neue Fabrik nach demselben Prinzip zu errichten. Diese Fabrik war größer und für den Einsatz des neuen Materials, des Zelluloids, welches das Horn allmählich ersetzen sollte, besser geeignet. Das Unternehmen bot den „Pièçards“, den unabhängigen Stücklohnarbeitern, an, einen Arbeitsplatz an sie zu vermieten und ihnen die neue Antriebsenergie, den Strom, zu verkaufen. Mit der Realisierung dieser „Modellfabrik“ wurde Auguste Chanard (1878-1934) beauftragt, ein in Saint-Claude ansässiger Architekt, der 1904 die Zeichnungen und Pläne erstellte.

  • La Grande Vapeur à Oyonnax
    La Grande Vapeur à Oyonnax

Innovative Architektur

Die Architektur dieses Bauwerks stellt in der Region Rhône-Alpes ein seltenes Beispiel der Industriearchitektur aus rauem Sichtstahlbeton dar.

Das Gebäude ist in zwei Trakte gegliedert, verfügt über zwei Ebenen mit kleinen Arbeitskabinen und ist auf einen zentralen Turm ausgerichtet, in dem sich die Verwaltungsdienste befanden. Unter der Decke aktivieren zwei durch einen Elektromotor angetriebene Wellen die Maschinen mithilfe von Riemen. In jeder Werkstätte sind drei Arbeitsplätze für Riller und zwei Arbeitsplätze für Schmirgler vorgesehen. Die diversen für die Epoche innovativen Anlagen – Wassertanks auf dem Dach, Sprinkleranlage in jeder Kabine, Zentralheizung – entsprachen dem Ziel, die Ausbreitung der bei der Zelluloidverarbeitung häufigen Brände einzudämmen und die Arbeitsbedingungen der Arbeiter zu verbessern.

Zur Brandvorbeugung wurde eine Dachterrasse mit einem Wasserreservoir ausgestattet, das mit jeder Kabine durch einen Schlauch mit Verteiler verbunden war. Rund um das Gebäude ist das Markenzeichen der „Union Électrique“ angebracht, das die Unterteilung der Stockwerke markiert. Der zentrale Turm verdeutlicht die neuen Möglichkeiten der Bauweise mit Stahlbetonfußböden. Am Kreuzpunkt der Verteilungsgänge, im Erdgeschoss und im ersten Stockwerk, in den mit Waschbecken ausgestatteten zwei Kronenbecken, wurden die Kämme gewaschen. Beton wurde nicht nur für die Träger und Säulen, sondern auch für die Rahmen der Treppenfenster verwendet, das Füllmaterial besteht dagegen aus traditionellem, mit Eisenankern verstärkten Mauerwerk.

Kulturerbe des 20. Jahrhunderts

Die Fabrik „La Grande Vapeur“ war bis 1940 sehr aktiv, doch führten der Krieg und später die Einführung der Spritzgusspressen zur Abnahme der Produktion handgemachter Gegenstände. Im Jahr 1945 wurde die Fabrik verstaatlicht und ging in das Eigentum der Elektrizitätsgesellschaft „Électricité de France“ über. Schließlich verkaufte E.D.F. die brachliegende Fabrik „La Grande Vapeur“ im Jahr 1967 an die Stadt Oyonnax. Noch bis zum Jahr 1975 vermietete diese 28 Kabinen und bewies damit die kontinuierliche Anpassung dieser Fabrik an die neuen industriellen Herausforderungen. Im Jahre 1987 wurde das Werkinnere der Fabrik „La Grande Vapeur“ in das Verzeichnis der Historischen Baudenkmäler aufgenommen, im Jahre 1988 wurde der Außenbereich klassifiziert. Zwischen 1993 und 2005 wurden Arbeiten zur Restaurierung der Terrassen und Außenfassaden durchgeführt. Dieses Bauwerk wurde mit dem Gütezeichen „Patrimoine du 20e siècle“ (Kulturerbe des 20. Jahrhunderts) ausgezeichnet.

Informationen

Musée du Peigne et de la Plasturgie
88 cours de Verdun – 01100 Oyonnax
Tél. +33 (0)4 74 81 96 82

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